Syrien :Gewalt nimmt zu Drucken
Mittwoch, den 25. Juli 2012 um 18:42 Uhr
Von Karin Leukefeld, Damaskus
Mit der Verlängerung der UN-Mission für Syrien (UN-Sicherheitsratsresolution 2059) für weitere 30 Tage hat der senegalesische General Babacar Gaye die militärische Leitung in Damaskus übernommen. In einer kurzen Stellungnahme an die Presse bezeichnete Gaye die Lage als »sehr schwierig«, doch die »Vernunft« werde letztlich »Erfolg haben«. Der stellvertretende Generalsekretär für UN-Friedensmissionen, Hervé Ladsous, sagte, in den nächsten Tagen werde man mit den Vermittlern vor Ort und mit Regierungsvertretern diskutieren. Die Hälfte der militärischen UN-Beobachter hätte das Land verlassen, doch seien weiterhin in verschiedenen Provinzen UN-Teams vor Ort. Auf jW-Nachfrage, ob die Mission sich nun verstärkt der Bildung einer Übergangsregierung widmen werde, wie es die Vereinbarung von Genf vorsehe, antwortete der französische Diplomat ausweichend. Alle Seiten hätten der Bildung einer Übergangsregierung zugestimmt, und die Aufgabe der UNSMIS sei es, entsprechende Gespräche zu vermitteln. »Schlüsselfrage« dafür bliebe jedoch weiterhin »ein Nachlassen der Gewalt«.

Die hat derweil in verschiedenen Teilen des Landes noch zugenommen. Während sich die Lage in und um Damaskus seit einigen Tagen aufgrund massiver Militäroperationen gegen die bewaffneten Aufständischen eher beruhigt hat, nahmen die Auseinandersetzungen vor allem in und um Aleppo zu. Regierungsgegner und mit ihnen sympathisierende Journalisten berichteten, die syrische Luftwaffe habe in die Kämpfe eingegriffen und »Stellungen der Aufständischen« bombardiert (BBC). Eine Razzia im Gefängnis von Aleppo und die Ermordung von Gläubigen, die auf dem Weg zum Iftar (Fastenbrechen) in einer Moschee von regierungstreuen Milizen getötet worden sein sollen, wurden von unabhängiger Seite nicht bestätigt.

Seit Beginn der Unruhen im März 2011 war es in Damaskus, der politischen, und in Aleppo, der ökonomischen Metropole Syriens, weitgehend ruhig geblieben. Mehrfach waren die Einwohner beider Städte bei Protesten in Homs, Idlib oder außerhalb Syriens beschimpft und aufgefordert worden, sich dem Aufstand gegen die Regierung anzuschließen. Wie zuvor Damaskus scheint nun auch Aleppo den Preis dafür zu zahlen, daß es versucht hat, sich aus dem militarisierten Konflikt um die Zukunft des Landes herauszuhalten.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete ihrerseits von schweren Kämpfen in Aleppo, in der Provinz von Lattakia, bei Tall Kalach nahe der Grenze zum Libanon sowie in der Provinz von Kamischly im Nordosten des Landes. Nach offi­zieller Darstellung seien die Armee und Sicherheitskräfte gegen »bewaffnete terroristische Gruppen« vorgegangen, »die Einwohner angegriffen und privates und öffentliches Eigentum in den Wohnvierteln von Aleppo zerstört« hätten, dabei seien »Dutzende« getötet worden. Das Eindringen von bewaffneten Gruppen aus dem Libanon und der Türkei sei ebenfalls verhindert worden. Auch im Süden Syriens, an der Grenze zur Jordanien, wurden bewaffnete Kämpfer getötet, die versucht hatten, nach Syrien zu kommen. Aus Sicht der syrischen Führung befindet die Armee sich in einem »Verteidigungskampf« mit irregulären Kampfgruppen, die vom Ausland unterstützt werden.

Der ehemalige syrische General Manaf Tlass, der vor knapp drei Wochen Syrien verlassen hatte, ist mittlerweile zur Pilgerfahrt (Ummra) in Mekka eingetroffen. Der saudische Nachrichtensender Al-Arabiya zeigte Tlass in offizieller Begleitung im Pilgergewand. »Exklusiv« verbreitete der Sender zudem, wie Tlass eine vorbereitete Erklärung verlas. Darin forderte er alle Syrer auf, für die Einheit eines demokratischen Syriens zusammenzustehen. Das neue Syrien dürfe »nicht auf Rache, Ausschluß oder Alleinvertretungsansprüchen« aufgebaut werden.

Die Türkei schloß am Mittwoch morgen die letzten drei Grenzübergänge nach Syrien. Ein Beamter der türkischen Grenzbehörden erklärte, daß nur noch Transitgüter die Grenze passieren dürften. Der türkisch-syrische Handel, der in den letzten Jahren mit Zollerleichterungen enorm zugenommen hatte, ist damit gestoppt. Für die Zivilbevölkerung beider Seiten ist die Grenze dicht, lediglich syrische Flüchtlinge sollten noch einreisen dürfen. Seit Monaten läßt die Türkei jedoch auch in ihrem Land ausgebildete und bewaffnete Kämpfe nach Syrien eindringen.
Quelle : JW
Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 29. Juli 2012 um 12:11 Uhr