Syrien : Die Türkei ist Teil des Problems Drucken
Freitag, den 13. April 2012 um 11:07 Uhr

Türkei droht Assad mit Intervention

Verbal jedenfalls lässt sich kaum noch weiter aufrüsten. Von China aus verdammte Erdogan das syrische Regime, es lasse Frauen und Kinder hinterrücks erschießen. Er griff Baschar al-Assad, den er noch vor wenigen Jahren einen Freund genannt hatte, scharf an: "Jeden Tag tötet er 60, 70, 80, 100 Menschen", sagte Erdogan. Und der Premier drohte erneut, die Türkei werde alle nötigen Schritte unternehmen. Seinen Außenminister schickte er bereits zurück aus China. Erdogan ignoriert die bewaffnete Gruppen und Free Syrische Armee Kämpfer und ihre Trainingslager in der Türkei und die Angriffe auf syrisch Soldaten in Syrien . Erdogan (osmanische Sultan) hat mit seiner politische Zukunft verspielt .

Wie genau die "Schritte" aussehen, die Erdogan androht, lässt er offen. Er spricht davon, künftig so zu reagieren, "wie andere Staaten auf solche Verletzungen in der Vergangenheit reagiert haben". Aber es ist klar, dass er damit die Einrichtung einer Pufferzone im Norden Syriens meint.

Seit Monaten verstärkt die Türkei ihre Grenztruppen. Immer wieder sprachen Erdogan und seine Berater öffentlich darüber, einen Schutzkorridor im Grenzgebiet zu schaffen. Eine solche Zone würde, abgesichert von türkischen Soldaten, syrischen Zivilisten Schutz bieten und potentielle Deserteure in Assads Truppen zur Fahnenflucht ermutigen, das ist die Idee. In mehreren Zeitungsberichten heißt es, die Vorbereitungen dafür seien abgeschlossen. Erst in der vergangenen Woche hatte Erdogans Nahost-Berater im "Wall Street Journal" bestätigt, dass es solche Pläne gibt und sich die Türkei darauf vorbereite, sie umzusetzen - sollte der Syrien-Konflikt die nationale Sicherheit seines Landes bedrohen.

Die Türken fürchten eine Zuspitzung des Kurden-Konflikts

Damit waren nicht nur der Flüchtlingsstrom und die gespannte Lage an der Grenze gemeint, die Erdogans Regierung Sorgen machen und sie zur Intervention treiben könnte. Es ist auch die Angst, der Konflikt mit den Kurden könnte sich weiter zuspitzen. Es mehren sich die Anzeichen, die Kurdische Arbeiter Partei (PKK) und das syrische Regime würden wieder enger zusammenarbeiten. Erst im März hatte ein türkischer Diplomat genau das als Grund für einen möglichen Militäreinsatz genannt.

Einem "Time"-Reporter erzählten syrische Kurden, die gegen Assad demonstrierten und in die Türkei flohen, die PKK würde Proteste gegen das Regime zerschlagen und Oppositionelle bedrohen. Es heißt zudem, Assads Truppen würden die PKK gewähren lassen und sie unterstützen - ein taktisches Bündnis, das bereits vor Jahren erprobt wurde. In den neunziger Jahren beherbergte Syrien den PKK-Chef Abdullah Öcalan und ließ seine Kämpfer in Ausbildungslagern an der Grenze trainieren. Syrien schickte Öcalan erst fort, als die Türkei mit einem Angriff drohte.

Auf die türkischen Drohungen antwortete am Dienstag der syrische Außenminister Walid al-Muallem: Die Türkei sei selbst Teil des Problems, weil sie bewaffnete syrische Gruppen unterstütze, sagte er. "Sie geben ihnen Waffen, helfen beim Aufbau von Lagern und unterstützen sie dabei, illegal auf syrisches Gebiet zu gelangen." Das stimmt allerdings nur zum Teil: Die türkische Regierung unterstützt die Opposition humanitär und politisch.

Die Türkei nimmt Tausende Flüchtlinge auf, duldet den Schmuggel mit Hilfsgütern und Medikamenten, ließ den oppositionellen Syrischen Nationalrat ein Büro in Istanbul eröffnen und beherbergt übergelaufene Offiziere. Sie betreibt offensiv den Sturz Assads und duldet es, dass seine Gegner das Grenzgebiet als Rückzugsraum nutzen. Doch ob auch Waffen über die Türkei ins Land gelangen, dafür gibt es keine Beweise. Widerstandskämpfer und Aktivisten sagen, sie würden ihr militärisches Gerät eher über den Libanon beziehen oder im Gefecht erobern.

Ob die Türkei es wirklich wagt, in Syrien einzugreifen, ist fraglich, zumal es sich Erdogan mit Iran nicht verderben will. Doch deeskalierend klingt es nicht, wenn Erdogan sagt, die Türkei wolle keinen Militäreinsatz in Syrien. Denn er sagt auch: Nur das Verhalten des syrischen Regimes könne dazu führen.

Quelle : SPIEGEL ONLINE

Zuletzt aktualisiert am Freitag, den 13. April 2012 um 11:59 Uhr