Waffen Schmuggler aus Libanon nach Syrien "Der Tod" PDF Drucken E-Mail
Donnerstag, den 03. Mai 2012 um 09:45 Uhr

Wie friedlich ist die syrische Opposition !

Abu Raed gehört zum engsten Kreis der Kommandeure in Homs und Umgebung und erklärt, wie das gehen soll: Derzeit nutzt die FSA vor allem Kleinwaffen, Kalaschnikows und - wo sie welche bekommen können - Maschinengewehre, russische BKC zum Beispiel. Damit jedoch werden die Rebellen nie gegen die syrische Armee ankommen: Denn während Kleinwaffen nur auf wenigen hundert Metern Wirkung zeigen, hat die syrische Armee Waffensysteme, die die Rebellen aus mehreren Kilometern Entfernung treffen. Das Militär hält die FSA auf Abstand. Das ist auch der Grund, warum die Freischärler außer ein paar geglückten Überfällen und Hinterhalten in den vergangenen Monaten kaum Erfolge aufzuweisen hatten.

"Deshalb haben wir angefangen umzustellen", sagt Abu Raed. Bis sein Knöchel geheilt ist, fungiert er als Waffeneinkäufer für den Distrikt Homs. "Raketen, Mörser, Artillerie. Duschka, Grads, Katjuschas, TAWs, SAM-6, SAM-7 und Stinger - wir nehmen alles, was wir kriegen können." Gekauft wird im Libanon - die Waffenhändler hier sind durch jahrzehntelange Konflikte gestählte Profis, die zuverlässig besorgen, was ihre Kunden wollen. Zuletzt hat Abu Raed drei 82-Mörser gekauft, komplett mit 70 Granaten, macht zusammen 35.000 Dollar.

 

Raketensysteme mit Abschussrampen

Noch würden die Rebellen ihre neuen Waffen nicht einsetzen, derzeit würden sie gehortet, sagt Abu Raed. Die Männer bräuchten noch Training, seien noch nicht so weit. "Wir bereiten uns auf die Stunde null vor. Dann erlebt das Regime eine Überraschung. Der echte Krieg um Syrien hat doch noch gar nicht angefangen." Mit Hilfe von Schmugglern bringen die Rebellen ihre Einkäufe über die grüne Grenze aus dem Libanon nach Syrien.

So richtig geheim geht es dabei nicht zu, die Schmuggler benutzen Autos und Pick-up-Trucks. "Wir sprechen hier von Raketensystemen mit Abschussrampen. Das Zeug ist so schwer, dass kann man nicht mal eben rübertragen", sagt Abu Raed. Also werden die Grenzer bestochen. "Das funktioniert problemlos. Das Regime wechselt die Grenzposten zwar dauernd aus, aber die Neuzugänge lernen schnell. Sie haben die Wahl: Entweder wir schießen auf sie, oder wir geben ihnen Dollars. Die Entscheidung fällt allen leicht."

Viele Indizien und diverse Aussagen unabhängiger Zeugen weisen daraufhin, dass Abu Raeds Bericht auf Tatsachen beruht. Und dann gab es da noch die Episode vom vergangenen Freitag: Dabei brachte die libanesische Armee im Meer nördlich von Beirut einen Frachter auf, der unter anderem drei Container voller Raketenwerfer, Raketen, Granaten und Sprengstoff sowie Maschinengewehre geladen haben soll. Die Fracht soll nach Armee-Angaben für die syrischen Rebellen bestimmt gewesen sein. Die unter der Flagge Sierra Leones fahrende "Lutfallah II" war von Libyen aus in See gestochen und wurde nach einem Zwischenstopp im ägyptischen Alexandria gestoppt. Der libanesische Militärstaatsanwalt Sakr Sakr sagte, der Kapitän und zehn weitere Besatzungsmitglieder würden derzeit vom militärischen Geheimdienst verhört.

Doch die geplante Aufrüstung der Rebellen hat einen Haken: Den Syrern geht das Geld aus, und zwar rapide. Das hat auch Abu Mahmud zu spüren bekommen. Der 25-jährige Libanese hat das Familiengeschäft Waffenhandel von seinem Vater übernommen. "Bis vor drei Monaten haben die Syrer große Massen an Kleinwaffen gekauft. Die haben alles genommen, was ich ranschaffen konnte."

Abu Mahmuds Geschäft ging so gut, dass er sich einen BMW und eine neue, sehr teure Pistole zugelegt hat. Das Fabrikat der Waffe verrät er nicht, weil er daran zu erkennen wäre. Er nennt zudem nur seinen Decknamen. "Jetzt wollen die Syrer nur noch große Sachen, Raketen, Mörser, schweres Gerät", sagt der Waffendealer. "Doch eigentlich haben sie kein Geld mehr. Die FSA hat von Spenden gelebt, aber die Leute haben alles gegeben, es kommt wohl kaum noch was rein. Derzeit kratzen die zusammen, was sie haben. Letztens habe ich ihnen zwei Grads verkauft. Damit kommen sie nicht weit."

Abu Mahmud wittert das Geschäft seines Lebens

Die syrischen Rebellen und ihre libanesischen Waffenlieferanten hegen eine große Hoffnung: Dass die Saudis ihre Versprechungen von Anfang April wahr machen und die syrische Opposition mit 100 Millionen US-Dollar unterstützen. "Das saudische Geld wird alles ändern. Selbst ein Bruchteil dieses Geldes würde alles ändern", sagt Abu Raed. Im Kopf hat er es schon durchgespielt: Die schweren Geschütze der Rebellen könnten dann die Armee in Schach halten, die Stinger Hubschrauber vom Himmel holen. Große Teile des Militärs würden desertieren, der Krieg wäre hoffentlich schnell vorbei. Dann könne man mit dem Aufbau eines islamischen Staats beginnen, in denen das Leben nach den Prinzipien der Scharia geregelt würde.

 

"Wir brennen darauf, dass das saudische Geld endlich fließt", sagt auch der Waffenhändler Abu Mahmud. Innerhalb von Tagen könnte er dann "jede gewünschte Anzahl" schweren Kriegsgeräts liefern. Er lacht, wenn er erzählt, von wem er seine Ware in der Hauptsache bezieht: Die Syrer lieferten Waffen an ihre Verbündeten im Libanon, an die Hisbollah, an Alawiten-Grüppchen, an verbündete Christen. Unter ihnen fänden sich immer Männer, denen Dollars wichtiger seien als Loyalität. "Die verkaufen mir, was sie von der syrischen Regierung geschenkt bekommen, und ich verkaufe es an die syrischen Aufständischen, damit die damit dieselbe Regierung bekämpfen." Als Beweis zeigt er Kalaschnikow-Munition aus seinem Sortiment: An kleinen Markierungen erkennt der Fachmann, dass sie in Iran beziehungsweise Syrien produziert wurde. "Und bald ist es auf dem Weg zurück dorthin", sagt Abu Mahmud.

Abu Ahmed - auch das ein Kampfname - konkurriert mit Abu Mahmud um die syrischen Kunden. Er präsentiert einige der Waffen, die er in der Abstellkammer neben seinem Büro aufbewahrt, Vorführmodelle allesamt. Da sind Mörser verschiedenen Kalibers, RPG-Panzerfäuste sind im Angebot, später zeigt er auch noch eine koreanische TAW-Rakete vor. "Alle richtig schweren Waffensysteme lagern außerhalb, auf dem Land", sagt er.

Abu Mahmud wittert das Geschäft seines Lebens, in zwei Phasen: Erst ein kurzer, brutaler Krieg, mit dem Machthaber Baschar al-Assad beseitigt werden wird. Danach ein Bürgerkrieg, in dem abgerechnet wird. "Wenn Assad fällt, geht das erst richtig los. Das wird schlimmer als Irak", sagt Abu Mahmud. Er sieht dabei gar nicht unglücklich aus.

Quelle : Spiegel/online

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 08. Mai 2012 um 16:00 Uhr