Empörung über Gedicht und Einreiseverbot (Günter Grass) PDF Drucken E-Mail
Montag, den 09. April 2012 um 12:24 Uhr

Israel hat Günter Grass wegen seines Israel-kritischen Gedichts zur Persona non grata erklärt. Ein Sprecher von Innenminister Eli Jischai bestätigte eine entsprechende Entscheidung. Als Persona non grata, also unerwünschte Person, darf Grass nicht mehr nach Israel einreisen . Israel hat immer wieder Druck über Kritiker geübt .

Jischai sagte nach Angaben seines Sprechers, das Gedicht von Grass habe darauf abgezielt, "das Feuer des Hasses auf den Staat Israel und das Volk Israel anzufachen". Grass wolle so "die Idee weiterbringen, die er früher mit dem Tragen der SS-Uniform offen unterstützt hat". Weiter sagte er: "Wenn Günter Grass weiter seine verqueren und lügnerischen Werke verbreiten will, sollte er dies vom Iran aus tun, dort kann er sicher ein begeistertes Publikum finden." 



Der Literaturnobelpreisträger hatte in seinem Gedicht angeprangert, dass der Iran von einem atomaren Präventivschlag durch Israel bedroht sei, der das iranische Volk auslöschen könne. Zudem schrieb er, dass Israel den Weltfrieden gefährde. Dies hatte ihm harsche Kritik und den Vorwurf des Antisemitismus eingebracht.

 

Gedicht "Ausdruck des Zynismus"

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman kritisierte Grass nach Rundfunkangaben ebenfalls scharf. Bei einem Treffen mit dem italienischen Regierungschef Mario Monti habe er gesagt, die Äußerungen des deutschen Schriftstellers seien ein Ausdruck des Zynismus. Intellektuelle wie er seien bereit, "Juden auf dem Altar der Antisemiten zu opfern".

Der israelische Historiker Tom Segev nannte das Einreiseverbot gegen Grass im Interview mit Spiegel Online einen "absolut zynischen und albernen Schritt des Innenministeriums". Die Motivation des Ministers zu diesem Schritt sei der Versuch, "seine politische Zukunft zu sichern".

In Deutschland wurde Grass wegen des Gedichts unter anderem von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) scharf kritisiert. In einem Beitrag für die Bild am Sonntag schrieb Außenminister Westerwelle: "Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen, ist nicht geistreich, sondern absurd." Und er fuhr fort: "Iran verweigert völkerrechtswidrig seit Jahren umfassende Zusammenarbeit bei der Kontrolle seines Nuklearprogramms." Der Iran habe das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie. Es habe aber nicht das Recht auf atomare Bewaffnung. "Wer die davon ausgehende Bedrohung verharmlost, verweigert sich der Realität."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, hält das israelische Einreiseverbot für Grass für überzogen und falsch. Dem Handelsblatt Online sagte er: "Das ist unsouverän und demokratisch nicht klug. Ich hoffe, dass man das noch einmal überdenkt". Gleichzeitig äußerte Beck jedoch Verständnis für die Verärgerung in Israel. "Grass zeigt sich ignorant gegenüber der tatsächlichen Bedrohung Israels durch den Iran, den ständigen Angriffen auf Israels Staatsgebiet durch Raketen aus dem Gaza-Streifen und die Infragestellung seines Existenzrechtes durch den Iran und seinen Verbündeten in der Region."

Wolf Biermann verteidigte Grass zwar "im Namen der Meinungsfreiheit". Sein Israel-Gedicht sei jedoch eine "literarische Todsünde". In der Welt am Sonntag schreibt der Liedermacher, "wenn dem Künstler keine originellen Ideen mehr kommen, versucht mancher sich an einem künstlichen Tabubruch wie Grass".

Dass Neonazis in Deutschland Grass nun lobten, mache aus ihm noch keinen Nazi. Grass sei niemals, wohl nicht einmal als junger SS-Mann, ein Faschist gewesen. "Also ist alles nicht so wild, alles nicht so schlimm", schreibt Biermann. Gleichzeitig betonte er: "Eine Dichtung ist das nicht." Der Liedermacher, der gerade in Israel ist, spricht von "dumpfbackigem Polit-Kitsch".

Quelle : zeit online

Zuletzt aktualisiert am Montag, den 09. April 2012 um 15:28 Uhr